Dienstag, 16. Juni 2009

11. VO – 9. Juni 2009 – Gabriel Lansky



Gabriel Lansky ist Anwalt in Wien, vertrat früher die SPÖ und vertritt seit einigen Jahren in die Israelitische Kultusgemeinde in rechtlichen Angelegenheiten. Zudem ist Lansky Präsident der österreichisch-israelischen Handelskammer.

Lanskys Eltern waren jeweils in zweiter Ehe, da beide ihre vorigen Ehepartner im KZ verloren hatten. Sie lebten nach 1945 in Prag und Jerusalem, kehrten aber 1953 nach Wien zurück.

Österreichische Verfassung, Rechtsrealität und Meinungsfreiheit

Österreich hat eine klare antifaschistische Verfassung, doch die Rechtsrealität sieht anders aus. "Die Lust der Behörden in dem Rechtsbereich sieht anders aus." Es bestehe eine "große Unlust", die Wertungen des Jahres 1947 (als ehemalige Nazis noch mit hohen Strafen verurteilt wurden) heute zu übernehmen. Der Strafrahmen für Wiederbetätigung beträgt eigentlich 10 bis 20 Jahre, doch selbst Honsik als "systematischer Rückfallstäter" bekam nur fünf Jahre, was nur bei "außerordentlichen Milderungsgründen" möglich wäre. Die Geschworenengerichte agieren zurückhaltend bei der Ausübung des Verbotsgesetzes.

Die Rücknahme des Verbotsgesetzes wäre jedenfalls "ein großer Fehler". "Natürlich ist das ein Eingriff in das Recht auf Meinungsfreiheit – allerdings: Artikel 10 der europäischen Menschenrechtskonvention gewährt dies unter dem Vorbehalt, dass die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Bewahrung der Demokratie Eingriffe gestattet." (vgl. Art. 10 MRK)

Wi(e)der die Kronen Zeitung

In den 90er-Jahren gab es einen Prozess der IKG gegen die Kronen Zeitung, wo Richard Nimmerrichter, besser bekannt als "Staberl", in einem Artikel etwas geschrieben hatte, was man wohl als die "Akutmachung eines latent vorhandenen Antisemitismus" bezeichnen könnte. Seit 2004 kann man das auch noch konkreter benennen: Staberl schrieb etwas in der Krone, was "antisemitische und rassistische Untertöne" hatte. Konkret war es ein Artikel, in welchem Staberl "Ausschwitz leugnete, ohne es in einem Wort zu erwähnen". Im Verlauf des Prozesses wurde eine Inhaltsanalyse des Artikels vorgenommen, jedoch extra von einem Linguisten, da mit anderen Methoden die zwischen den Zeilen steckende Nachricht nicht ermittelt hätte werden können. Dadurch konnte ein Verstoß gegen das Verbotsgesetz nachgewiesen werden, doch der Prozess endete in einem Vergleich unter der Auflage einer langen Geheimhaltungsfrist, die jedoch mittlerweile abgelaufen sein dürfte.

Der Prozess, wenn er auch im Vergleich endete, führte zu einer Änderung der Blattlinie der Krone, so Lansky. Mit etwas Verzögerung wurde Staberl in die Pension geschickt, antisemitische Untertöne dürften ein wenig zurückgefahren worden sein. Vgl. auch Georg Markus, der für die Krone schrieb, was er in einem antisemitischen Umfeld wohl nicht getan hätte.

Medien und Menschenrechte

Österreich ist das meistverurteilte Land wegen Verstößen gegen die Meinungsfreiheit am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EuGhfM), so Lansky. Das Schema ist folgendes: Ein Medium bezeichnet Rechte als neonazistisch, woraufhin Rechte klagen und gewinnen, denn "Kritik an Rechten wird bestraft", so scheint es jedenfalls. Viele Urteile werden in der Folge am EuGhfM aufgehoben.

Einer der bekanntesten Fälle in dieser Sache war einer, wo Lansky den österreichischen Journalisten und Mitarbeiter des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands Karl Pfeifer vertrat. Diesem wurden für die heutige Zeit eigentlich unglaubliche Dinge vorgeworfen, nachdem er neonazistische Umtriebe eines deutschen Professors, der auch in Österreich publizierte, aufdeckte. Doch darauf möchte ich hier gar nicht näher eingehen, darüber gibt es in der Wikipedia das wichtigste nachzulesen, und in einem Dokumentar-Film über Pfeifers Leben ("Zwischen den Stühlen") kommt der Fall auch ausführlich zur Sprache. Pfeifer veröffentlicht übrigens noch heute in diversen Blogs, etwa auf juedische.at, wo er Beobachtungen der rechten Szene und über Antisemitismus und Antizionismus in Österreich (und anderswo) kundtut.

Der Anwalt der Gegenseite hieß Herbert Schaller, der regelmäßig Mandanten vertrtitt, denen Wiederbetätigung oder Verstöße gegen das Verbotsgesetz vorgeworfen werden, aber auch die FPÖ und ihre Mitglieder. Sein bekanntest Klient der jüngeren Vergangenheit: David Irving. Der Richter in diesem Fall, der Pfeifer in Österreich Recht absprach bzw. schuldig sprach, hieß Maurer. Dieser, der immer wieder in vergleichbaren Fällen vergleichbare Urteile gefällt hat, wurde unter Justizminister Böhmdörfer (FPÖ, in der Schüssel-Regierung) befördert. Lansky verbindet mit Maurer jedenfalls eine "lange Liebesbeziehung", wie er meint.

Waldheim und SPÖ

Während der Waldheim-Affäre hat die SPÖ durchaus Interesse daran gehabt, dass die Aufdeckungen über Waldheim öffentlich werden und Waldheim im Präsidentschaftswahlkampf schädigen. So habe die SPÖ dem JWC auch Informationen weitergeleitet. Doch öffentlich haben SPÖ-Politiker stets geleugnet, irgendwas mit der Waldheim-Affäre zu tun zu haben. Als sie die ÖVP auf Unterlassung klagten, ihr derartiges zu unterstellen, begingen diese SPÖ-Leute aber einen schweren Fehler. Sie behaupteten auch vor Gericht, unter Eid, weiterhin, nichts mit der Waldheim-Affäre zu tun zu haben, wurden aber letztlich überführt und acht SPÖ-Leute, so Lansky, wegen Falschaussage verurteilt. Sie hätten einfach zugeben sollen, dass sie Waldheim nicht als Präsident haben wollen. Aber das sei eben ein "typisches SPÖ-Problem", dass sie nicht klar sagen, wie zu einem Thema stehen, und stattdessen "herumwurschteln".

Wie man gegen Neonazi-Partys vorgehen kann

Ein außergewöhnlicher Fall Lanskys war jener, wo Neonazis in einem von ihnen gekauften Haus am Landstraßer Gürtel Nr. 19 (gehört mittlerweile wieder jemand anderem) wilde Feiern abhielten und auch Nazi-Parolen auf Transparenten aus dem Fenster hängten. In dem Haus befanden sich jedoch auch andere Mieter, die sich durch diese Feiern gestört und auch bedroht fühlten. Doch irgendwie gab es keine einfache Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Als einer der Bewohner Lansky als Anwalt nahm und ihn in das Haus bat, kam es sogar zu folgender Szene: Staatspolizisten vor dem Haus verweigerten Lansky den Zutritt, obwohl er sich als Anwalt eines Bewohners ausweisen konnte und oben aus dem Fenster sein Klient auf die Straße schrie, er solle raufkommen. Die Begrüngung, warum er nicht reindürfe, war, dass es zu "seiner eigenen Sicherheit" sei. Er verlangte nun, dass sie ihm das schriftlich geben, was er dann auch bekam. Er hatte nun also schwarz auf weiß, dass die Staatspolizei es für sicherheitsgefährdend hielt, das Haus zu betreten, wenn Neonazis darin ihre Feiern halten. Damit in den Händen konnte Lansky im Namen der Mieter des Hauses den Vermieter auf Unterlassung derartiger Aktivitäten klagen. Die Mieter bekamen nun das Exekutionsrecht gegen ihre Vermieter, "die Umsetzung des Verbotsgesetzes wurde von der Polizei in die Hände der Mieter gelegt", das sei einmalig in Österreich. Die Neonazis konnten also nicht mehr viel tun in diesem Haus, um ihrem Neonazismus Ausdruck zu verleihen, und verkauften das Haus wieder.

Situation in Österreich

Wie sieht Lansky die Situation in Österreich bezüglich Rasissmus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus? Es gibt eine "dumpfe Ausländerfeindlichkeit", eine "dumpfe faschistische Grundstimmung". Das sei eine "echte Gefahr, wenn Krise stärker wird", es gibt ein "enormes faschistisches Potential", das sich "primär gegen Moslems und Türken richten" wird und "antisemitisches Gerülpse als Nebenprodukt abgeben" wird.

In Deutschland sei es eine völlig andere Situation. Da gibt es "Hardcore-Nazis" und eine "organisierte Neonazi-Szene", dafür aber "keine breite faschistische Grundstimmung".

Und wie stehen Rechtsextreme zu Israel? "Auch bei österreichischen Rechtsextremen gibt es eine Bereitschaft, anzuerkennen was der israelische Staat geleistet hat" (was an der Begeisterung für militärische Stärke liege), Zusatz: "was sie mir um nichts sympathischer macht". Israel spiele jedenfalls kaum eine Rolle bei österreichischen Antisemiten, die richten sich eher gegen die jüdische Bevölkerung, die integriert ist sowie gegen das "Weltjudentum", "jüdische Kapitalisten" usw.

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